„Open Society“ beim Osterseminar 2016
Mehr als 80 Jugendliche aus 20 verschiedenen Minderheiten nahmen heuer am Osterseminar der JEV in Fünfkirchen/Ungarn vom 19. bis 25. März teil. Workshops, Exkursionen und Spaß standen wie immer auf der Tagesordnung! Das diesjährige Osterseminar der JEV fand im schönen Fünfkirchen/Ungarn statt und wurde heuer von der GJU (Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher) im Hotel Laterum veranstaltet.
Wer ist eigentlich dieser Workshop und wo kommt er her?
Das Motto lautete „Open Society“ (de: offene Gesellschaft) und so wurden die fünf Workshops (Graswurzel-Journalismus und Online-Campaigning, E-Jugendpartizipation, Motivationsmethoden und Aktivierung von Ehrenamtlichen, Mehrsprachigkeit und sprachliche Vielfalt in Europa, Ungarndeutsche Identität und Kultur) auch darauf abgestimmt.
Im Workshop „Graswurzel-Journalismus und Online-Campaigning“ beschäftigten sich die TeilnehmerInnen erstrangig mit der Frage „Wie kann ich soziale Netzwerke für die Förderung meiner Minderheit nutzen?“. Unter professioneller Anleitung lernten die Jugendlichen das richtige Erstellen von Artikeln, das Bloggen und die Grundlagen von Kampagnenführung. Eine große Rolle spielte hierbei auch die Kampagne der JEV #DiversityConnects (de: Vielfalt verbindet), für welche im Laufe der Woche einiges an Material gesammelt wurde!
E-Jugendpartizipation hieß der zweite Workshop und beleuchtete das Thema Jugendbeteiligung aus politischer Perspektive. Die Leitfragefragen lauteten: „Welche Institutionen und Prozesse gibt es im Bereich der europäischen Jugend- und Minderheitenpolitik? Wie kann ich daran teilnehmen? Wie kann ich neue Medien als Entscheidungshilfe nutzen?“. Im Laufe dieses Workshops wurde eine Empfehlung mit einer Definition von Online-Tools ausgearbeitet, die wir auch in den Entscheidungsprozessen der JEV nutzen möchten. Die Gruppe formulierte außerdem eine Resolution der JEV zum Thema Flüchtlinge.
Ein weiterer spannender Workshop drehte sich um Motivationsmethoden und Aktivierung von Ehrenamtlichen. Obwohl es heutzutage durch das Internet viel mehr Partizipationsmöglichkeiten gibt, nimmt die Zahl von aktiven jungen Menschen auf allen Ebenen ab. Mit Hilfe non-formaler Bildungsmethoden wurden z.B. die Durchführung von klassischen Treffen (z.B. Versammlungen und Vorstandssitzungen) überdacht und überlegt, wie diese innovativer und interessanter gestaltet werden können. Entwickelt wurden auch Methoden zum kreativen Denken und Möglichkeiten, wie man „out of the box“ denken kann.
Diskutiert wurden darüber hinaus auch verschiedene Konzepte zur Zielgruppenfindung anhand verschiedenster Beispiele aus den Heimatorganisationen und der Arbeitsgruppe. Was sind die Bedürfnisse und Ziele? Wie erkennt und erreicht man diese?
Außerdem verfassten die Teilnehmenden mit Hilfe bestimmter Theorien einen Motivationsbrief, mit dem man Menschen für unterschiedliche Bereiche, Themen und Tätigkeiten motivieren kann.
Ein anderes wichtiges Thema, das in einem Workshop behandelt wurde, war die Mehrsprachigkeit und sprachliche Vielfalt in Europa. In diesem Workshop wurden Fakten zum Thema Sprache, sowie Vorteile von Mehrsprachigkeit präsentiert. Nachdem die TeilnehmerInnen gelernt hatten, wie man dieses Wissen interaktiv und spielerisch weiter vermitteln kann, hielten sie am Valéria Koch Schulzentrum Schulstunden und besuchten das Germanistische Institut der Universität Pécs/Fünfkirchen. Die Teilnehmenden tauschten sich ebenfalls über die Bildungs- sowie Sprachsituation in ihren Minderheiten aus, und verglichen die aktuellen Herausforderungen.
Im fünften Workshop „Ungarndeutsche Identität und Kultur“ wurde, wie der Name schon ahnen lässt, näher auf die ungarndeutsche Identität eingegangen. Die zentralen Fragen dieses Workshops lauteten: Wie leben die Menschen und was macht ihre Identität aus? Wie können Minderheitentraditionen heute bewahrt werden? In einem praktischen Teil wurden verschiedene ungarndeutsche Dörfer besucht, um dort ältere und junge Angehörige der Minderheit über das Ungarndeutschtum zu befragen und Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten über die verschiedenen Orte zu sammeln.
Ein Tag eines Osterseminarteilnehmers-in
Es waren wie immer lange und spannende Tage auf unserem Osterseminar! Und wie so ein langer spannender Tag eines durchschnittlichen Teilnehmers-in ausgesehen hat, das haben unsere YEN Forscher für Sie herausgefunden:
Der Einfachheit wegen wird im Folgenden in der Regel für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Osterseminars das Wort „Objekt“ verwendet.
08:00 Der erste Programmpunkt „Frühstück“ beginnt! Verzweifelt wird nach einigen Objekten gesucht – doch vergebens. Weil die Gefahr besteht, dass eines dieser Objekte, aufgrund des Defektes eines Aufwachalarmgerätes oder Falschinformation, den angebrochenen Seminartag nicht genießen kann, wird von den Organisator-Objekten (hierarchisch höherliegendes Objekt), eines ausgewählt und mit der ehrenvollen Aufgabe beauftragt, die Vermissten durch akustische Signale in der Nähe ihrer Schlafplätze aufzuwecken!
08:59 Die letzte Minute des Programmpunktes „Frühstück“ bricht an. Der Großteil der vermissten Objekte wurde erfolgreich „gefunden“ und begibt sich auch schon mit gemäßigter Geschwindigkeit zur Nahrungsaufnahme.
09:30 Der zweite Programmpunkt „Workshops“ beginnt! Die Trainer-Objekte (ein Objekt, welches die wundervolle Aufgabe hat, anderen Objekten Wissen zu vermitteln) öffnen die Pforten ihrer Seminarräume. Mit voller Freude stürmen die Objekte, bewaffnet mit Wasserflaschen, den ihnen zugewiesenen Seminarraum, um sich mit einer Auswahl von spannenden Themen zu beschäftigen. Die Bewegungsbereitschaft der Teilnehmer ist sogar so groß, dass die Trainer-Objekte manchmal dazu gezwungen sind sog. „Energizer“ (ein fröhlicher Volkstanz, der Energie liefert) zu vollziehen. Einen dieser Momente haben wir mit unserer Forscherkamera festgehalten:
12:30 Natürlich kann auch das stärkste Objekt nicht lange ohne Nahrung überleben und somit wurde der Programmpunkt „Mittagessen“ eingeführt. Bei einem Mittagessen wird darauf geachtet, dass die Objekte viel tierisches Eiweiß zu sich nehmen, um in Extremsituationen (wie z.B. bei einem Fahrstuhlausfall) die notwendige Energie zur Verfügung zu haben.
Bei einem JEV-Seminar gibt es jedoch meistens eine Gruppe von Objekten, die sich „Vegetarier“ (siehe hier) nennen. Diese Objekte sind dazu verpflichtet auf sog. Fleisch zu verzichten. Somit wird bei einem Mittagessen auch auf diese Gruppe Rücksicht genommen, um den restlichen Tag auch ohne tierisches Eiweiß zu überleben!
14:00 Um die Umgebung besser kennenzulernen, werden die Objekte auf eine Wanderung geschickt. Diese Wanderung wird von Experten auch „Exkursion“ bezeichnet. Bei einer solchen Exkursion werden die kulinarischen und kulturellen Köstlichkeiten der jeweiligen gastgebenden Minderheit präsentiert. Heuer wurde sogar beobachtet, wie eine Gruppe von Objekten mit einer 50 Jahre alten Ente unterwegs war.
17:30 Auf jedem Seminar sind auch so genannte „Newbie“ Objekte vertreten! Das Besondere an diesen Objekten ist, dass diese noch sehr unerfahren in der JEV-Welt sind und somit von älteren Objekten (sog. Oldies) eine kleine Einführung gegeben wird. Sie sammeln sich meistens zu einer gewissen Tageszeit und praktizieren eine Vielzahl von Aufnahmeritualen. Auf unserem diesjährigen Osterseminar wurde gelernt, wie man auf einem Seminar richtig sitzt.
Das Video dazu sehen Sie hier:
19:00 Ein weiteres Nahrungsaufnahmeritual namens „Abendessen“ wird gestartet. Es unterscheidet sich nur sehr wenig vom Mittagessen, einige Objekte behaupten sogar, es wäre komplett dasselbe! (#XFACTOR)
21:00 Der „Exchange Market“ (de: Austauschmarkt) wird offiziell eröffnet. Er wurde eingeführt, weil die Objekte ja bekanntlich nicht alle aus derselben Region stammen. Ziel dieses Austauschabends ist es einen Einblick in die Tanz- und Gesangsqualitäten sowie in die Ess- und Trinkfreudigkeit aller Objekte zu bekommen. Manchmal kann es dann auch schon vorgekommen, dass manches Objekt einen s.g. „Kulturschock“ erleidet und früh ins Bett muss. Die Objekte haben dort auch die perfekte Gelegenheit, Inspirationen für angesagtes Promomaterial zu sammeln (seien es die neusten T-Shirt und Hoodie-Schnitte oder Sticker), um sich auch noch in Zukunft auf die Erlebnisse des Abends zu erinnern. Es ist sehr schwer einen solchen Abend zu beschreiben, aber wir haben dazu sehr seltenes Bildmaterial gefunden:
05:00 Die ersten Sonnenstrahlen sind zu sehen und das ein oder andere Objekt sucht instinktiv seinen Schlafplatz auf, um sich so gut wie möglich von den Strapazen der letzten 21 Stunden zu erholen und sich bei der Gelegenheit alle Abkürzungen der JEV-Mitglieder einzuprägen!
Exkursionen sind was tolles!
Wie jedes Jahr fanden auch heuer wieder Ausflüge in die Umgebung statt, um die Gastgeber besser kennen zu lernen. Bei einer Exkursion besuchten wir einige ungarndeutsche Dörfer und natürlich erkundeten wir auch die schöne Stadt Fünfkirchen!
Um Fünfkirchen in ganzer Pracht zu erleben, wurde am Sonntag eine Stadtrallye veranstaltet. Alle TeilnehmerInnen konnten dort in Gruppen spannende Aufgaben lösen.
Natürlich gab es auch etwas zu gewinnen!
Der Mittwoch stand ganz unter dem Stern ungarndeutscher Kultur, Geschichte und Kulinarik. Gestartet wurde in Bóly/Bohl mit Museumsbesuchen (Agrarmuseum, umgebaute Kornspeicher mit einer ungarndeutschen Ausstellung). Danach ging es auch schon gleich weiter nach Székelyszabar/Sawer auf einen Ergebnisbauernhof, wo den TeilnehmerInnen ein traditionelles Mittagessen serviert wurde und alte Methoden der Butter- und Brotherstellung ausprobiert wurden. In entspannter Atmosphäre tauschten sich die Workshopgruppen am Nachmittag über ihre Zwischenergebnisse aus.
Diskussionsabend
Natürlich durften während des Seminars auch aktuelle Themen, wie die schrecklichen Ereignisse in Belgien und die Flüchtlingskrise, nicht fehlen. Deshalb wurde auch ein Diskussionsabend zu diesem Thema veranstaltet. Es wurde viel über die momentane Situation auf der ganzen Welt, und vor allem in Europa diskutiert und dadurch hatte jeder die Möglichkeit, seine Meinung zu diesem Thema zu äußern sowie Fragen zu stellen und Unklarheiten zu klären.
Die Journalistin Anna Frenyó wurde als Expertin zu dieser Diskussion über die Flüchtlingskrise eingeladen und führte durch den Abend. Sie selbst verbrachte viel Zeit an den Fluchtrouten, lernte dabei viele Flüchtlinge kennen und konnte dadurch von einzelnen Schicksalen und persönlichen Geschichten berichten. Beeindruckend waren darüber hinaus auch einige von ihr selbstgedrehten Videos und Interviews mit Flüchtlingen, um diese Thematik und Problematik besser zu veranschaulichen.
Gäste der JEV beim Osterseminar
Auch dieses Mal konnte die JEV auf ihrem Osterseminar einige Gäste begrüßen. Es war uns eine Freude die Jugend der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (ProDG – J), Phiren Amenca (Netzwerk für Freiwilligenarbeit von Roma und Nicht-Roma) und die Jugend der ungarischen Minderheit in Rumänien (Miért) in Pécs zu begrüßen. Überdies ging die JEV im Rahmen des Seminars eine Partnerschaft mit der Jugend der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens ein. Wir freuen uns schon sehr auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit diesen neuen Organisationen!
Wir hoffen, dass auch die TeilnehmerInnen eine spannende und tolle Woche hatten und freuen uns schon auf ein baldiges Wiedersehen!
Im Großen und Ganzen war das diesjährige Osterseminar ein voller Erfolg! Das GJU (Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher) und JEV-Team haben großartige Arbeit geleistet und uns einen angenehmen Aufenthalt in Fünfkirchen ermöglicht. Ein herzlicher Dank geht auch an unsere hervorragenden TrainerInnen.
Das Seminar wurde gefördert von der European Youth Foundation, vom deutschen Bundesministerium des Innern und von der Konrad-Adenauer Stiftung.